Tappa 11: nach Catania

Die Nacht in Taormina geht vorbei, als wäre sie nur einige Stunden kurz. Ich träume nichts, vielmehr wache ich zum Vibrieren meines Handys auf und frage mich, wo die Zeit hin ist. Als ich mich aufsetze und am Rand meines Bettes verweile, muss ich stöhnen: Mein Hintern schmerzt.

Na, das wird eine schöne letzte Etappe! Nach dem Duschen frühstücke ich zusammen mit einer russischen Mutter und ihrer hübschen Tochter, ab und zu streifen mich ihre Blicke, wenn ich zum Büffet klackere.

Eine Stunde später, es ist kurz nach acht, fahre ich los. Die Rezeptionistin sagt auf Deutsch: "Viel Spaß!"

Die ersten Meter sind die Hölle: Nicht nur, dass direkt am Ortsausgang Taorminas eine Steigung im zweistelligen Bereich auf mich wartet, nein, es ist mein Po. Ich kann fast kaum noch sitzen - es schmerzt dermaßen, dass ich die ganze Zeit am Hin und Herrutschen bin, mich mal nach vorne und mal nach hinten schiebe. Unerträglich dieser Schmerz.

Aha, denke ich mir, hier kommt meine Arschcreme also an ihre Grenzen.

Nicht auszudenken, was die Profis fühlen müssen: Ich hier mache gerade mal 1.200 Kilometer. So eine Tour de France ist 3.500 Kilometer lang ...

Ich versuche mich abzulenken, indem ich die Strecke für heute durchgehe. Denn heute will ich den Ätna bezwingen. Ihn einmal umrunden, ihn von allen Seiten besehen, diesen berühmten Vulkan, eine Runde, um dann diese Tour zu beenden.
Den Ätna umrunden.

Den Ätna ... und dann fahre ich mit meinem Rennrad um eine Klippe herum, hinter ihr sehe ich den Berg zum ersten mal mit eigenen Augen. Den Ätna umrun...Scheiße!

Dieser Berg ist RIESIG! Dieser MIstberg ist einfach nur dermaßen fett, dass mir die Spucke wegbleibt. "Alter Schwede!", raune ich mir in mein Trikot - umrunden? Diesen Sucker umrunden?

Vergiss es!

Einschüchternd, präsent, riesig - so müssen sich die Rebellen beim Angriff auf den Todesstern gefühlt haben. Und ähnlich wie sie, komme ich mir auf einmal ganz ganz klein vor, wie ich da bescheiden auf meinem Kohlefaserrädchen diesem erhabenen, äonenalten Feuerberg entegegen kurbele. Wobei ich mir denke, dass Luke Skywalker bestimmt keinen roten, brennenden Arsch hatte, als er den Befehl zum Angriff gab ...

Die Spitze des Vulkans ist noch in den Wolken. Von Dunst und kalten Winden umgeben, kann ich eine dünne Rauchwolke erkennen, die aufs Meer gezogen wird. Die mächtigen Flanken des Berges fallen gratig hin ab, schmeißen riesige Haufen aus alter und neuerer Lava, erkaltet, sicher, aber hügelig durchaus, mir in den Weg.

Den Berg umrunden? Ich werde froh sein, an ihm vorbei zu kommen.

Bevor ich klar denken kann, durchquere ich eine kleine Stadt. Der Verkehr rollt, es ist ja noch früh, und ich bin recht guter Dinge. Vielleicht ja ... vielleicht ja doch?

Doch dann, mitten in der Stadt, beginnt die Achterbahnfahrt: Steile Rampen zwingen mich, aufs kleine Blatt zu schalten. Mühsam kämpfe ich mich die Steigungen empor - neben mir, ein vollkommen ungewohnter Anblick - die Bürgersteige. Mütter und Männer gehen einkaufen, zur Arbeit oder zur Schule. Und ich im Schneckentempo neben ihnen.

Crazy.

Nein, verwerfe ich meinen Plan, das mit dem Ätna wird wohl nichts ...

Ich überquere drei, vier Rampen, alte Lavaströme, denke ich mir, und ab und zu erhasche ich den Blick auf den Berg, oder zumindest seine Flanken. Immer wieder ist der Vulkan selbst in dichte, dicke Wolken gehüllt, nur seine Ausläfer, voluminös genug, um mich einzuschüchtern, machen es sich breit in der Landschaft gemütlich.

Einhundert Kilometer ist die Runde um den Ätna lang. Sie geht direkt am Fuße des Berges entlang - sagt die Karte - nur wenn ich mir diese mächtigen Krakenarme, diese Flanken anschaue, und wenn ich zurück blicke, welche Arbeit allein das Radfahren hier, ziemlich nahe zur Küste verursacht, möchte ich nicht wissen, wie schmerzhaft das Umrunden des Vulkans ist.

Bikemap hat mir für die heutige Umrundung 3.500 Höhenmeter ausgegeben ...

In einem der nächsten Dörfer überhole ich einen alten Mann, einen sehr alten Mann, der sehr langsam auf einem schwer aussehenden Mountainbike mit Anhänger die Straße entlang kurbelt. Ich schließe zu ihm auf und grüße.

"Hallo!", grüßt er zurück.
Da sein Rad über und über mit österreichischen Flaggen verziert ist, kein Wunder.

Der Mann hat schütteres, weißes Haar. Tiefe Kerben durchziehen sein braun gebranntes Gesicht. Eine Haut wie Leder, so scheint mir. Ruhig, besonnen kurbelt er durch das Dort - ihn stören die Automassen nicht, die sich an uns vorbeidrücken.

Zunächst denke ich, es handelt sich um Tilmann Waldthaler, den bekannten Randonneur. Er ist es aber nicht.
"Ich bin von Salzburg aus über die Alpen gefahren und an der Ostküste Italiens bis hier her. Nun umrunde ich Sizilien und fahre an der Westküste Italiens wieder zurück." Sprachlos.
"Wie lange bist Du unterwegs?"
"Zwei, drei Jahre ...", sagt er so gemütlich, wie er kurbelt.

Diese Ösis ...

Ich lassen den Alpen-Tilmann hinter mir und gebe wieder Gas. Ein netter Herr, der noch einen weiten Weg vor sich hat. Mittlerweile brennt die Sonne unbarmherzig danieder. Während ich immer wieder sehnsüchtig zur klirrekalten Spitze des Vulkans neben mir schiele, läuft mir der Schweiß in Strömen durchs Trikot.

Das Sitzen wird mehr und mehr zur Qual - mittlerweile fühle ich wie die Prinzessin auf der Erbse jedes noch so kleine Steinchen, über das meine 8,5 bar-harten Rennradpneus rollen.

Wieder und wieder gilt es, mal lang gezogene, seichte, mal kurze und giftige Wellen zu meistern. Von oben muss das hier wie eine riesige Krake aussehen - diese Wellen sind ihre Arme, die sich sternförmig vom Vulkan wegbewegen. Und in der Mitte der Ätna.

Keine Ahnung, ob es an der Südseite der Insel Sizilien liegt, aber ich habe das Gefühl, dass es hier noch mehr Pflanzenvielfalt und noch exotischere Tiere gibt, als auf der Nordseite der Insel.

Bei einer Pause beobachte ich einen prächtigen Meister Gekko, ein süßes grünes Tierchen, dass sich neben mir auf dem Bordstein wärmen lässt.

Allenthalten fahre ich an wundervollen Orangenhainen vorbei - dann liegt ein Duft in der Luft, wie nur die Achseln von Opa Dittmeyer riechen mögen - ich kurbele durchs Valensina-Wunderland ...

Und dann endlich habe ich ein Ziel. An meiner Tanke rauscht ein Rennradfahrer vorbei! Ich springe aufs Rad, trete rein und arbeite mich nach wenigen Minuten an den Herren heran. Als ich in seinem Windschatten ankomme, verrät mich der laute Dura-Ace-Freilauf. Er blickt sich um, ich grüße "Ciao!", er nickt.

Na dann, los!

Die Straße nach Catania haben sie hier über unzählige Wellen, kleine und größere, flacherere und steilere Anstiege gelegt, sodass wir kaum in einen gleichmäßigen Tritt kommen. Kaum haben wir die eine Anhöhe geschafft, schaltet der Kerl vor mir gleich hoch und beschleunigt weiter. Entweder ist der noch ganz frisch oder er ist saugut.

Die seichteren Wellen reiten wir im Anstieg mit bis zu 35 km/h ab - ich kann es kaum fassen! Der Mann vor mir kurbelt, als sei hinter ihm einer dieser Monster aus Star Wars unterwegs. Er blickt sich kaum um, mir scheint aber, dass er mich loswerden will.

Die Abfahrten werden nicht langsamer als 50 km/h gefahren - kein lockeres Treten, kein Ausspannen. Mir läuft der Schweiß in Strömen, ich muss hecheln, die Lunge brennt, als würde ich in den nächsten fünf Minuten die Lungenbläschen einzeln aushusten. Aber ich will dranbleiben, ich muss!

Dann und wann, vor allem, wenn ich am Scheitelpunkt einer Abfahrt durch den Windschatten genug Geschwindigkeitsüberschuss habe, überhole ich ihn, setze mich vor ihn und beginne, meine Schuld abzuarbeiten. Nur Lutschen gilt nicht, so viel Anstand habe ich auch in mir. Und so setze ich mich dann an die Spitze, gehe in Untenlenkerposition und versuche, wenigstens ein paar Kilometer dem Kollegen Windschatten zu geben.

Es zerreißt mir fast die Waden, dieses Höllentempo im Wind zu gehen. Hier die über 35 km/h aufrecht zu erhalten, ist um einiges anstrengender, als im Windschatten zu fahren.

Anscheinend ist das aber gegen seine Ehre, oder er fühlt sich behindert, jedenfalls überholt mich der Italorenner keine Minute, nachdem ich mich vor ihn gesetzt habe, schon wieder. Kein Blick, kein Wort, kein nichts.

Er zieht an mir vorbei, setzt sich vor mich und die Lokomotive schaltet auf Volllast. Okay, denke ich mir, dann zieh mal ... ich wollte ja nur das Beste.
So geht das drei oder vier mal, irgendwann willige ich stillschweigend - und ich muss zugeben, auch etwas froh darüber - ein und lasse ihn von nun an unangetastet an erster Position die Arbeit im Wind machen.

Dabei kann ich seinen Fahrstil studieren, und der ist einfach beeindruckend: Herr Pinarello schaltet nämlich nicht. Wenn ich an Anstiegen einige Gänge herunter schalte, auf Abfahrten wieder hoch schalte und auch sonst ab und zu die richtige Übersetzung für meine immer schwächer werdenden Muskeln suche, es unter mir stetig klackert an meiner Dura Ace, höre ich von vor nur das sonore Summen des Freilaufes. Er schaltet einfach nicht!

Er tritt stoisch einen riesigen Gang, ganz gleich, ob er und eine Steigung hinauf prügelt oder eine Abfahrt hinabsemmelt. Wow!

Ich will mich verabschieden, als wir plötzlich wie aus einer Trance gerissen nach Catania reinkommen, ich gen Hafen muss und er weiter in die Berge kurbelt, aber er ist schon eine Kurve weiter, als ich mich kurz an den Schildern eines riesigen Kreisverkehres orientiere.

Hut ab! - Italomann, und gute Fahrt!

Um zu meinem Hotel zu kommen, muss ich durch die ganze Stadt, am besten in Hafennähe, auf die andere Seite.

Catania ist im Verkehrschaos, es ist heiß und stickig, aber was am schlimmsten ist - Catania verfügt im gesamten Innenstadtbereich über die wohl schlimmsten Pflastersteine der Welt!

Die Teile haben die größe eines DIN A4-Blattes und sich an der Oberfläche halbrund. Zudem gähnen bis zu 5 cm breite Spalten zwischen den Steinen. An Fahren ist hier nicht zu denken - mehr als 4 km/h bekomme ich nicht hin. Ich rolle - viel zu schnell - auf das Pflaster und ziehe mir nach einigen Metern schon mal eine kleine Handgelenksprellung zu. Wenige Meter später gibt mein Carbonrad dann dermaßen schlimme Laute von sich, dass ich auf den (vollen) Bürgersteig wechseln muss.

So laufe und rolle ich neben Kinderwägen und Einkaufstütenmädchen über eine Stunde durch Catania, bin verschwitzt und genervt und frage mich, ob es nicht klüger wäre, gleich ein Grroßraumtaxi zu nehmen (sowas gibts hier allerdings nicht) oder doch den Umweg über die Umgehungsstraße zu nehmen - wahrscheinlich wusste der Italorenner um das Mordspflaster und ist deshalb schon gar nicht in die Innenstadt?

Irgendwann kommt wieder der alt bekannte Asphalt - sehr löchrig zwar, aber fahrbar. Aufgesessen - Autsch, mein Arsch! - und losgefahren.

Auf der Viale Kennedy reite ich die letzten Meter und muss beim Anblick meiner Hoteladresse stutzen ...

... denn das liegt genau neben dem Knast von Catania. Na, da hat sich der Texter beim HRS Hotelportal anscheinend eine richtig gute Beschreibung einfallen lassen, denn von Knast stand da nix!

Oh Backe, denke ich mir, als ich einchecke. Das Hotel selbst sieht ganz okay aus, der Concierge ist nett und zuvorkommend und - das Beste - mein Rennradkoffer ist auch schon angekommen. Perfekt!

Oben im Zimmer wird die Stimmung dann wieder etwas gedämpft. Es ist eng, die Möbel scheinen aus einer alten Jugendherberge zu stammen (so abgeranzt sehen sie auch aus) und im Klo fällt der Putz von der Decke in die Dusche. Gute Wahl - für 45 € inkl. Frühstück kann man dann wohl doch nichts erwarten.

Auf einmal, ich komme gerade patschnass aus der Dusche, erhebt sich ein Grollen, ein dumpfes Beben, ein immer lauter werdendes Poltern! Es wackelt das Zimmer, es klirren die Gläser - ach du Scheiße! Ich stürme zum offenen Fenster, immerhin habe ich Ätna-Blick, in Erwartung, einen Vulkanausbruch zu sehen, immer lauter, immer lauter wird es und auf einmal ... tönt ohrenbetäubend ein startendes Passagierflugzeug über mich hinweg, kurzzeitig huscht sein Schatten über das Hotel.

Ähm. Okay.
Der Puff liegt also nicht nur neben dem Knast von Catania.
Sondern auch genau am Ende der Startbahn des Flughafens.

Ich beschließe spontan, meinen "Urlaubstag", den ich hier noch am Strand verbringen wollte, zu canceln und umzubuchen. Heim, ich will nur noch heim, denke ich in den Startlärm eines weiteren Flugzeuges hinein.

Ob die hier ein Nachtflugverbot haben?

Nach dem Duschen und dem großflächigen Einspachteln meines Gesäßes zieht es mich dann doch noch einmal zum Strand. Immerhin will ich mir wenigstens diese Stadt, mein Ziel, mal ein bisschen genauer ansehen.

Ich muss etwa 5 Kilometer laufen, um zurück nach Catania zu kommen, was okay ist, denn ich bewege mich nach dem vielen Kurbeln gern per pedes. Noch dazu durch die kühlende Brandung, vorbei an den Tanga-Ladies ... da gibt es Schlimmeres.

In weiter Ferne steht majestätisch der Ätna, seine Spitze in Wolken gehüllt. Drohend steht er da, wacht ruhig über das Treiben zu seinen Füßen. Kaum auszudenken was hier abgeht, wenn dieser Riese einmal doch wieder zum Leben erwacht ...

Neben mir geht ein Kreuzfahrer in dem Hafen vor Anker. Er wird tausende Amerikaner ausspucken, was sich in einigen Minuten in der Stadt bemerkbar machen wird. Dann werden sie quäkend und dicklich sich durch die Gassen drücken, ihre geschmacklosen Hawaiihemden und Strohhüte gelangweilt auf ihren blassen Quallenkörpern an den Schaufenstern postieren.

Und doch - noch nie haben ich so anschaulich gesehen, was es für die Wirtschaft einer Stadt bedeuten kann, von einem Ballermann-Schiff angelaufen zu werden.

Immer wieder überholen mich Rennradler - normalerweise recke ich meinen Kopf nach ihnen und beneide sie. Aber heute, heute sehe ich ihnen zufrieden nach und kann mir selbst auf die Schulter klopfen: "Du hast es geschafft, Alter, Du hast Italien gerockt. Lass den nur ziehen, heute ist er dran mit Kurbeln."

So komme ich nach einer Stunde lockerem Schlendern kurz nach Mittag wieder in der Innenstadt an, die vor Hitze wabert. Alles verkriecht sich nach Innen - kaum Menschen auf den Straßen.

Ich laufe entlang prachtvoller Boulevards, architektonisch interessant angelegt, Straßen, in denen man wohnen möchte. Wenn nicht, tja, wenn nicht alles so verfallen wäre.

Fast kommt es mir vor, als spaziere ich durch Porto - der Zielstadt meiner aller ersten Auslands-Radtour 2008 - denn hier gibt es keine Fassade, die nicht intakt wäre. Wenn schon nicht der Putz bröckelt, dann doch allenthalben die Farbe.

Wie prächtig muss diese Stadt doch sein, würde man ihren Häusern nur eine Sanierung spendieren?

Á porpos "Spendieren". Bald packt mich der Hunger. Sardonisch grummelt und blökt es in meinem Magen und Krämpfe von Übelkeit kämpfen sich ihren Weg in meinen Hals. Essen, ich muss etwas essen!

Doch was?

Leckere Linguine? Eine dicke Lasagna? Vielleicht eine Bistecca mit diesen leckeren Mini-Kartöffelchen und frischem, knackigen Gemüse? Oder halt - Prosciutto e Meloni - mmh, ja, als Vorspeise vielleicht ... und dazu, dazu ein kaltes, großes Bier?

Oh Italien, wie gut, dass ich in Italien bin, denn hier, hier gibt es IMMER nur das beste, das leckerste, das genialste Essen ... fast falle ich in Ohnmacht, so stark das Verlangen nach Essen ... Essen ... essen!

Es sind drei Cheeseburger, die ich mir genehmige.
Drei ganz einfache, frische, heiße Cheeseburger in einem ganz normalen, einfachen McDonlad´s. Und was soll ich sagen? Nach all diesen leckeren italienischen Spezereien, Pasta-Genüssen und Pizza-Orgien, nach all diesen handgemachten, organisch angebauten, frisch zubereiteten Gourmandisen nun dieses Junkfood zu essen ist ... ein Traum!

Pure Energie. Pure, heiße Energie. Und auch wenn ich McDonald´s zutiefst verachte, so muss ich doch zugeben, hätte diese meine - ja auch kulinarische - Reise durch Italien nicht besser enden können.

Gesättigt und zufrieden erreiche ich gerade noch den Fischmarkt, den der Reiseführer heiß empfahl, hier wird dann aber schon abgebaut. Doch der Geruch nach Meersalz, nach frischem Fisch, nach Muscheln und Tang ... er macht Lust auf mehr.

Ich bummle noch die Hauptstraßen entlang, als es hier aber nichts mehr zu sehen gibt, nehme ich mir ein Taxi, um zum Hotel zu gelangen.

So kehre ich denn nach zwei Stunden Spaziergang dieser Stadt den Rücken, lasse mich in haarsträubendster Fahrweise ans Ende der Landebahn in mein Zimmer bringen, wo ich mich nach ein, zwei Stunden Dösen vor dem Fernseher entscheide, wohl doch noch ein Abendessen zu mir zu nehmen.

Sichtlich überfordert, heute einen echten Gast verköstigen zu müssen, rotiert man in der Küche und kredenzt mir eine Pasta, die ihren Namen leider nicht wert war - ein Schrotthotel, leider, das bestätigt jeder Bissen.

Der Witz an der Sache ist, dass unser Herr Geheimrat von Goethe anscheinend in dem selben Hotel abgestiegen zu sein scheint, denn er berichtet folgendes:
"In unserer Herberge befanden wir uns freilich sehr übel. Die Kost, wie sie der Maultierknecht bereiten konnte, war freilich nicht die beste. Eine Henne, in Reis gekocht, wäre dennoch nicht zu verachten gewesen, hätte sie nicht ein unmäßger Safran so gelb als ungenießbar gemacht. Das unbequemste Nachtlager hätte uns beinahe genötigt, Hackerts Juchtensack wieder hervorzuholen, deshalb sprachen wir morgeens zeitig mit dem freundlichen Wirte. Er bedauerte, dass er uns nicht besser versorgen könne."

Nun denn. Ich bin mutig und bestelle mir ein Stück Cassolata - das zu probieren man mir in Neapel noch wärmstens ans Herz gelegt hatte.

Es handelt sich um ein Stück Eistorte, die bestimmt lecker wäre, wenn man sie woanders äße, als hier. Der Wein tröstet mich über diese kulinarische Gesamtschande hinweg und so begebe ich mich, nachdem ich an der Rezeption meine verfrühte - nämlich morgige - Abreise bestätigt habe, auf mein Zimmer.

Mit geübten Handgriffen demontiere ich mein Rennrad, verpacke es und stelle nach einer guten Stunde den bombensicheren Koffer in die Ecke.
Duschen.
Fernsehen.

Oh mein Gott, ich kann es kaum erwarten, endlich hier raus zu kommen!

In die Turbinen einer startenden Boeing 737 hinein schlafe ich halbwegs ein ... und träume vom Ätna, den ich als einzigen Berg meiner Reise nicht bezwingen konnte. Träume von Cefalú, von Palermo mit den Müllsäcken, von der Seereise bei Windstärke 6, von Neapel und dem Monsterregen nach Gaeta, von den Hitler-Fans an der Tankstelle an der Via Appia, von Rom, der ewigen Stadt, von Umbrien und leckerem Wein, von Foligno und Senigallia und den Gondeln von Venedig.

Träume mich 1.200 Kilometer durch Italien.
1.200 Kilometer, die nun in meinen Waden stecken.
Für immer in meinen Erinnerungen.

Italien. Mein Giro di´Italia. mio Giro!

Etappe 11 - Taormina-Catania

Etappenlänge: 58,54 km
Fahrtzeit brutto: 3 h 10 min
Fahrtzeit netto: 2 h 12 min
Schnitt:
26,2 km/h


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3 Kommentare:

  1. Danke für deinen tollen Italien-Bericht.
    Gerade noch mal so die Kurve bekommen damit, bevor die neue Saison startet. Juli bis März ... und ich dachte immer, ich bin langsam was das bloggen betrifft :-))

    Bin gespannt, was 2011 von dir kommt. Weiter so ...

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  2. Auch von mir, wenn auch viiiel später, einen herzlichen Dank für Deinen tollen, spannend geschriebenen Blog.
    Leider musste ich ihn in Etappen lesen, aber ich konnte es immer kaum erwarten, bis ich weiterlesen konnte.
    Ich werde mich mit Begeisterung durch Deine anderen Touren-Blogs lesen...
    Herzlichen Gruß aus Berlin

    P.S. falls Dich mein "Blögchen" interessiert:
    http://berlin-sylt-solex.blogspot.de/

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  3. Ohne Zweifel hat dieser Ort eine Menge zu bieten!

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