Na, wenn das mal kein gutes Omen ist, oder?
Ich schalte mein Handy an und eine SMS meiner Süßen trifft ein - sie ist ganz aufgeregt, denn heute wird sie einchecken müssen zu ihrem großern Flug nach China. Ich grinse, schicke ihr einen elektronischen Kuss und mache mich - wieder einmal als erster Gast des Hotels - über das frische Büffet her. Leider ist die Morgenmahlzeit in der Albergo Bice nicht so toll, wie das Abendmahl hoffen ließ: Auch wieder nur Süßkram und Müsli. Keine Wurst, kein Schinken. Vollkorn? Fehlanzeige.
Na, wenigstens der Kaffee - wie überall in Italien - ist eine Wucht.

In die Berge wird es heute gehen, meine erste Etappe mit permanenten Steigungen und - wie ich zumindest hoffe - einigen leckeren Abfahrten. So verlasse ich die Adriaküste, sage Lebewohl zu Senigallia und trete rein.

Early Bird catches the worm ...
Ich komme gut voran. Es ist noch sehr früh, wie gehabt sind kaum Autos unterwegs, es weht ein leichter Wind von vorn, der aber wenig bremst, mich eher angenehm kühlt. Die Sonne steht schon recht hoch, blendet auch zeitweilig, wenn sie zwischen den Bäumen und dem Blätterwerk in Myriarden von Schattenspielchen hervorblitzt, aber es ist noch recht frisch.
Mit optimistischen 28, 29 km/h kann ich bergan treten - leider ist die Straße in einem denkbar schlechten Zustand, sodass mein Fortkommen ab und an an Cross oder Trial, denn an Rennrad erinnern mag.
Trotzdem: Eine sonderbare Euphorie keimt in mir. Und ich fühle: Der frühe Vogel - also ich - wird heute einen dicken Wurm bekommen!

Mein Landsmann Goethe kam hier leider nicht vorbei - er hatte eine eher, na, sagen wir, kulturellere Route über die Apenninen gewählt: Klar, denn Perugia durfte sich der Herr Geheimrat nicht entgehen lassen. Aber das kann ich verstehen: Was sollte der geniale Verfasser des Dolktor Faust auch am Strand von Rimini? Keine Sorge, weiß ich, denn ich werde seine Reiseroute schon noch wieder kreuzen.

Ich trinke viel - alle 15 bis 20 Minuten nehme ich ein, zwei kräftige Schlucke aus meinen Flaschen. Manchmal gibt es engere Kurven, die sich dann auch, Serpentinen vorausnehmend, kleine Hügelchen hinauf falten, und wenn ich an deren Rand fahre, kann ich links und rechts von mir schon stattlich weit in die Täler Umbriens schauen. Ein herrlicher Anblick.

Wie alt mag diese Straße hier sein?, denke ich mir, und versuche mir vorzustellen, wie Roms Legionen hier vor zweitausend Jahren mit Mann und Gepäck in die Provinzen ausgezogen sind, wie hier vielleicht der eine oder andere Apostel des Weges kam und - da! - vielleicht hat an dieser Brücke, an diesem Stein Caesar gestanden und eine Banane gegessen?

Ein weiterer lang gezogener Hügel reißt mich aus meinen Radtrance-Überlegungen.

Ein Anstieg zum Abschied
Dann signalisiert mein Handy eine SMS. Ich fummle das Teil umständlich aus meinem Trikot und lese bei Tempo 25, dass meine Maus nun den Flieger besteigt. Letzte SMS aus Deutschland. Ich grinse, Schmerz und Freude quellen gleichzeitig in mir hoch, ich habe den Impuls, sie anzurufen, die letzte Chance, diese feine, diese meine Stimme noch einmal zu hören, ein Gruß zum Abschied, nur kurz, nur schnell, zum Abschied ... als die Straße sich auf ein mal nach oben biegt.

Vor mir liegt Arcevia. Oben auf dem Berg eine stattliche Burg, ein Kloster oder ähnliches, die Straße scheint auf ssie zuzulaufen, wird den Berg aber umrunden. Hoffe ich.

Immer wieder muss ich meinen Kopf anstrengend nach oben biegen, um diese Burg zu bestaunen.

Vor mir ringelt sich die Straße stark abwärts fallend in eine lange lange Rechtkurve. Ich schalte hoch, beschleunige so gut ich kann, erreiche die maximale Drehzahl meiner Kasette und gehe in Untenlenkerhaltung. Dann konzentriere ich mich darauf, die optimale Linie zu finden, koordiniere den Wechsel zwischen Links- und Rechtskurve, versuche so wenig wie nötig zu bremsen und jauchze kurz auf, lasse nur einen Moment meine Konzentration locker, um diese Abfahrt zu genießen - Wow, was für ein Gefühl!
Mein Herz pocht, meine Räder fauchen nur so durch den Wind, nur der Freilauf rasselt surrend unter mir, sonst Stille, ich kann sogar Vögel zwitschern hören, als ich ins Tal zwischen den beiden Bergen hinabsause, mir der Fahrtwind die heiß gelaufenen Knie kühlt und den Schweiß auf der nackten Brust trocknet.
Nach einigen Minuten ist alles vorbei - aber ich freue mich so, Adrenalin schießt mir zu den Ohren hinaus. Es sind diese Momente, die die Qual einer Steigung vergessen machen!

Eine Männerserpentine bitte
Und dann kommt sie, die erste richtige Serpentinensteigung, der erste kleine Pass, der erste große Aufstieg von ganz unten nach ganz oben: Ein paar Kilometer hinter Arcevia. Ein Berg wie eine Mauer türmt sich vor mir auf. Mittlerweile ist es kurz vor 12, Mittagszeit also, ich ohrfeige mich, klaro, denn ich habe natürlich keine Pause bei Kilometer 30 gemacht und demzufolge nur noch einige Tropfen Feuchtes in meinen Flaschen.
Ich schaue auf ein Verkehrsschild: "6 Schleifen" steht dort, auch wenn ich kein Italienisch spreche, sehe ich sofort, was mir das Schild sagen will. 6 Mal Spitzkehre. 6 Mal leiden. Na denn!

Ich gehe ab und zu in den Wiegetritt und schon schmerzen nach wenigen Metern die Waden. Es ist anstrengend wie nie, sich diese mindestens 16 % hinaufzuschieben. Selbst meine härtesten Etappen durch die Serra del Estrellas in Portugal, die fiesesten Berge in Japan oder selbst die zwei 1.300 Meter hohen Pässe in Kanada kommen nicht an dieses kleine Sträßchen in Umbrien heran: Das Ding verlangt alles!


Die ersten drei Spitzkehren meistere ich. Gerade so. Dann muss ich anhalten, rette mich in einen Schatten, klicke aus, stelle das Rad ab und brülle "Fuck-o-mio grande!" in die Schlucht.
Alter Schwede - was ist das denn? Denke ich mir uns schaue auf die Straße. Klar, steil ist das hier wie Hulle, aber SO?
Ich denke an mein Liegerad und wie ich damit die Steigungen gefahren bin. Dort hatte ich einen Rohloff Speedhub montiert, der mich die steilsten Anstiege mit minimal 6 km/h hochkurbeln ließ. 6 Kilometer in der Stunde - ich erinnere mich gut an den Coquihalla-Pass in Kanada. Eine ganze Stunde und noch mehr konnte es dauern, bis ich den Berg gemeistert hatte. Unendliche Kurbelarbeit.
Und nun, mit Rennrad und "Kletterhilfe"? Ich staune, als ich ein paar Minuten später wieder wiegetretend in der Steigung stehe: Satte 15 km/h mache ich - also kommt man mit dem Rennrad doppelt so schnell den Berg hoch, wie mit einem Liegerad.
Dass der Wiegetritt so viel ausmacht, hätte ich nicht gedacht!

Vor mir liegt wieder eines dieser umbrischen Täler: Links und rechts, nicht sehr weit entfernt, einige Berge, sanft auf und abhebend eine Art Ebene, die immer wieder von Wellen durchbrochen ist. Landwirtschaft, kleine Bauernhöfe und ab und zu mal ein kleines Dörfchen ... FUUUIIIIIIII! ... macht es da auf ein mal.
An mir sausen "Ciao!" brüllend etwa 30 Rennräder vorbei. Ein ganzes Peloton, verfolgt von einem Mannschaftswagen mit bunten Aufklebern. Bevor ich die Hand heben kann, sind die Jungs vorbei. Oha.

Umbria, mio Umbria!
Es wird steiler. Die Hänge, an denen ich fahre, fallen fieser ab. Die Steigungen selbst werden länger und länger und die Ausblicke, die ich nun genießen kann, umso spektakulärer. Ich bin nun mitten drin, in Umbrien, denke ich mir, als ein, zwei Tropfen Schweiß von der Nase perlen.

Die andere, über Cheggia, schlängelt sich erst einmal aufwändig vor mir einen Bergrücken empor.
Also nicht über Cheggia.

Meine Laune ist bestens, obwohl sich zusehends der Straßenbelag verflüchtigt. Leute, unsere deutschen Katastrophenstraßen sind der reinste Luxusbelag gegen das Aspahltpuzzle, über das ich hier in Crossermanier holpern muss!

Oben auf der Steigung kommt mir ein Rennradler entgegen. Blass und verschwitzt - er hat gerade erklommen, was ich gleich hinabsausen werde. Wir grüßen uns - dann erreiche ich den Gipfel, gebe Gas und kann eine halbe Minute 60 km/h genießen. Bis die nächste Welle kommt.

Jeder Truck, der mir entgegen kommt und durch dessen Fahrtwind ich eine gescheuert bekomme, ist mir willkommen: Kühle! Egal, ob mich das jedes mal um 5, 6 km/h abbremst. Manchmal aber kommt für eine Viertelstunde kein einziges Auto. Es weht kein Lüftchen. Nur ich, mein heißer Atem und mein Hintern, der sich langsam auch wieder meldet.

Ich trinke erst einmal meine obligatorische Flasche Eistee, esse dazu ein riesiges Baguette mit einer Zentimeterschicht Parma-Schinken. Das ganze Baguette kostet 1,20 Euro. Wahnsinn, denke ich mir ins Geschnatter der Jungs nebenan: In Deutschland zahlt man für eine Nanometer dünne Scheibe Parma einen Höllenpreis - hier knallen sie dir das Zeug wie Maurermörtel um die Ohren!

Kann ja auch nicht mehr weit sein: Immerhin bin ich gleich in Fabriano und dann muss ich noch ein mal eine Bergkette überqueren - that´s it!
Really?

Und stutze.
Auf keinem der Schilder ist Foligno ausgewiesen. Äh, hallo?

In einem Harleyshop weit weg lachen sie. Die fiese Art. Die Art, bei der man heraushören kann: "Ah, schon wieder so ein Trottel, der hier die Abfahrt runterpeest und keine Ahnung hat."
Einer der Rocker kommt zu mir, geht mit mir vor die Türe und zeigt es mir.
Sein Finger geht bergauf.
Die Strecke zurück, die ich runter kam.
Irgendwann, sagt er, da oben, da geht es nach Rom. Und da müsse ich abbiegen.
Ah. Toll.

Schicksal ergeben und etwas sauer auf mich selbst, prügele ich mich die Steigung wieder hoch. Na, 12 km Umweg, da hatten wir schon Schlimmeres! Denke ich mir und trete rein.
Leck mich am Arsch ist das heiß! Meine Waden ersticken unter der Schicht Sonnencreme, oben auf wie Perlen eine noch dickere Schicht milchig-weißen Schweißes, immer wieder unterbrochen von feinen schwarzen Staubpartikeln von Straße und Auspuff.
Herrlich.
Die erste Trinkflasche ist auch schon wieder alle.
Nach einer schieren Ewigkeit dann das Schild - tatsächlich, nach Roma muss ich.

Rom, da will ich in 3 Tagen sein. Rom, da will ich einen Ruhetag einlegen ... Ruhe ... Ruhe ... wie fern das doch klingt! Nicht treten zu müssen, nicht in gebückter Haltung auf 700 Gramm Carbon zu hocken, das kommt mir vor wie ein fremdes Konzept einer noch fremderen Kultur.
Ich bin zum Radfahrer geworden. Zum Nomaden. Verschmolzen mit meinem Gefährt. Eine andere Fortbewegung als jene, bei der mal kurbeln muss - undenkbar für mich!

Atemberaubend schön hier. Thüringer Wald. Alpen. Rockies. So sieht es hier aus - nur ohne Schnee auf den Gipfeln. Feuchte, sattgrüne Wälder, es duftet, an Abhängen kurbele ich mich entlang, schraube mich höher. Und mit jedem Meter entkoppele ich mich mehr denn je der Zivilisation, die hier, in Umrbien, sowieso sehr weit weg scheint.
Allein. Idylle im Schmerz. Es ist ein Traum!
Ich weiß nicht, wie lange ich mich den Berg hinauf kämpfe. Es geht in lang gezogenen Kurven am Abhang entlang. Mal ist der Berg rechts, mal links. Mal kann ich fast senkrecht nach unten Blicken, wenn ich meinen Kopf drehe, mal warnen mich Schilder vor Steinschlag von oben. Klopf auf Holz, denke ich mir - ich habe ja einen Superhelm!
Saudumm!
Und dann erreiche ich ihn, den Scheitelpunkt. Ich merke es, weil es immer einfacher wird, zu treten, weil ich hochschalten kann, weil aus 20 km/h plötzlich 25 werden und dann 30.

Na hossa!
Ich sause in die Röhre - erst langsam, denn es geht ja noch bergauf. Mich umfängt Stille und Schwärze, augenblicklich kann ich nichts mehr sehen. Der Tunnel beschreibt eine Kurve, weshalb ich auch kein Licht am Ende wahrnehmen kann. Ein mulmiges Gefühl kriecht in mir hoch, wie immer, wenn ich durch Tunnels fahre. Ich kenne das zwar schon zur Genüge aus diversen Tunnelabenteuern, vor allem Kanada und Japan hatten da einiges zu bieten, aber von Routine wage ich nicht zu sprechen - Tunnel sind immer wieder aufregend, im negativen Sinne.

Ich beschleunige, merke, dass ich schneller kann - es geht abwärts. Ich schalte hoch, dann aufs große Blatt - wie schnell mag ich jetzt sein? 40, 50? Keine Ahnung. Die spärliche Beleuchtung über mir hört auf, keine Lampen mehr, dafür sehe ich jetzt das Tageslicht - da ganz hinten.
Dann rauscht ein Auto an mir vorbei, dann noch eines. Durch den Widerhall in den Tunnelwänden klingt es wie Teenie-Geschrei bei einem Tokio-Hotel-Konzert. "Kein Licht!", rufe ich mir selbst zu, als mich die Erkenntnis durchzuckt, dass ich ja nicht mehr in meinem Liegerad-Reiseraumschiff mit SON Edelux und Automatiksensor liege, sondern auf einem vollkommen reflexionslosen Rennrad ohne jegliche Beleuchtung.
Ah, nee, meine Sidis haben ja an der Sohle eine kleine Reflexionsschicht - das wird schon helfen!

Aber zum Überlegen bleibt nicht lange Zeit, denn mein Rad stürzt sich freudig drehend in die Abfahrt. Es geht einige Minuten mit rund 60 km/h - mehr leider nicht wegen des Gegenwinds - in lang gezogenen Kurven bergab. Ich genieße die Zwischensprints, bin die ganze Zeit in Untenlenkerposition und freue mich, denn das ist wirklich der Lohn für den mühsamen Anstieg. Manchmal kann mich der Windschatten eines Transporters einige hundert Meter mitziehen, manchmal schieben mich die Luftwirbel von Trucks kurzzeitig ruckartig mit.
Wundervoll.
Nach rund 15 Minuten bin ich unten, komme aus den Bergen geschossen und finde mich in einem breiten Tal wieder. Wie ein Schlauch schlängelt es sich durch die flankierenden Berge, die es von der Außenwelt abzuschirmen scheinen.
Bis Foligno nur noch 20 Kilometer.

Und dann kommt ein Regenschauer.
Streik der Muskeln
Meine Laune hat sich, nachdem ich wieder halbwegs trocken bin, nur mäßig wieder angehoben. Über mir hängen dicke, buschige Wolken, es ist heiß, aber sehr feucht, es dampft und rumort, die heißen Steine und der Asphalt dünsten H2O aus und meine Lungen pfeifen auf dem letzten Loch. Selbst der eisgekühlte Eistee, den ich mir gerade an einer Tanke geholt habe, ist schon fast gekocht. Es fängt an, zu nerven.
Da fasse ich mir ein Herz, "Scheiß drauf!", brülle ich in die wunderbare Landschaft und biege ab. Auf die Autobahn. Denn die Hügel da vor mir, nee, lasst mal, jetzt noch Serpentinen und solche Späße? Nicht mit mir!
Und wieder: Seitenstreifen - reingetreten, Augen zu und durch! Ich haue rein und kann einen 40er Schnitt halten. Es gibt keinerlei Steigungen, kilometerlang geht es hochstraßenartig durch Umbrien. Niemand hupt, naja, ein, zwei, aber die meinen das nicht so. Ich trete und kurbele und trete mich in Trance, Wut quillt in mir, ich kann nicht mehr, aber ich will, will, will jetzt zum Ziel! So kurbele ich mich in Rage und die Angst davor, dass Carabinieri mich entdecken und abkassieren könnten, treibt mich noch weiter an.

Mein Rad sieht aus wie Hulle, Dreck und Spritzwasser haben einen unansehnlichen Film am schneeweißen Cervélo-Rahmen gebildet. Nicht schön. Ebenso unschön, wie meine Waden, die aussehen, als hätten sie gerade ein Mountainbike-Schlammrennen gewonnen.
Na denn - aufsitzen - die lezten 5 Kilometer schaffe ich auch noch!
Durch dick und dünn
Glücklich, es endlich geschafft zu haben, fahre ich von der Autobahn ab, nicht ohne dass noch einer mich anhupt, dann geht es einen Kilometer durch immer dichter werdenden Stadtverkehr in die Innenstadt - schon halte ich meine Augen offen nach einem Hotel. Denn da Foligno ursprünglich nicht auf meiner Route lag, habe ich hier nichts reserviert.
Ich nähere mich einem großen Kreisverkehr - als es mir auf ein mal in meine Nase fährt: Ein Geruch, dass es mir das Gedärm zusammen zieht. Es stinkt nicht, es riecht hier: Hier verwest etwas.
"Alter!", rufe ich, es ist kaum auszuhalten, meine Fresse, was ist hier denn los?
Dann komme ich zum Kreisverkehr und muss blinzeln, was liegt denn da? Große Haufen ... rosa ... Zeug? Die Autos kurven herum, ich komme näher, da sehe ich es, erkenne es endlich: In der prallen Sonne, es sind wohl 40 Grad locker, verwest ein riesiger Haufen Innereien. Es stinkt so erbärmlich, dass mir Tränen in den Augen stehen und ich kaum atmen kann. Boah, nicht zu beschreiben!
Doch noch immer schieße ich mit 35 km/h auf diesen riesigen Haufen Gedärme zu, Autos manschen durch Dick und Dünn, es spritzt und splatattert, über die Straße fließt ein Brei aus Innereimansche und Blut. Es ist das Ekelhafteste, das ich jemals gesehen habe.
Aufpassen!, denke ich mir, als ich meine schmalen Rennradreifen in das Massaker steuere - zu viel Schräglage und ich rutsche aus. Bremsen unmöglich. Ich fahre durch die Masse, es macht Geräusche, als wenn ich selbst kotzen müsste, breiige Ekelmasse spitzt gegen meine Unterschenkel - im Augenwinkel sehe ich Menschen am Rand des Kreisverkehrs sehen. Na, wenn schon was los ist in Foligno, dann wollen sie das hier auch sehen.
Ich schwöre mir: Wenn ich jetzt in diesen Stinkebrei stürze, fahre ich nie wieder Fahrrad!

Meine Wahl erweist sich als Glücksgriff in jeder Hinsicht: Das Zimmer hier im Hotel Italia ist riesig, es ist sehr geschmackvoll eingerichtet und die Damen an der Rezeption so freundlich wie noch nie. Ich rolle ins wohl temperierte Zimmer im mittelalterlichen Ritterstil, stelle mein Cervvélo ab und lasse mir erst einmal ein Bad ein.





Ein Dregängemenü der Extraklasse - und allen, die nach Foligno kommen, sei das Hotel Italia und das tolle Restaurant hiermit wärmstens empfohlen.

Abends gibt es wieder WM-Fußball, aber ich dämmere schnell weg, plündere vorher die eiskalte Minibar und plane die kurz die morgige Etappe: Morgen, so lege ich fest, geht es nicht nach Rieti. Sondern nach Civita Castellana.
Und hier, so weiß ich, werde ich einen alten Bekannten wieder treffen: Kollege Goethe.

Etappenlänge: 132,8 km
Fahrtzeit brutto: 5 h 30 min
Fahrtzeit netto: 5 h 06 min
Schnitt: 25,7 km/h
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"also kommt man mit dem Rennrad doppelt so schnell den Berg hoch, wie mit einem Liegerad."
AntwortenLöschenDer Vergleich hinkt etwas: 18 kg Liegerad SPM + viel Gepäck vs. 8 kg RR + wenig Gepäck. Logisch, dass das RR dann am Berg schneller ist.
Bei einem gleich schweren Carbon Liegerad sähe es da sicher anders aus.
hinkt nicht: vergleichen kann ich nur, was ich selbst erfahren habe. und das ist nun mal die SPM und das RR. alles andere, ist mir schnurz: ob es noch leichtere LRs gibt oder noch schwerere RRs - es geht hier um MEINE erfahrung mit LR und RR auf MEINEN touren.
AntwortenLöschenabgesehen davon bin ich der überzeugung, dass der wiegetritt so enorme vorteile bringt, dass auch einem gleich schweren LR das RR am berg schneller sein würde.
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